Klinikweh

Der Volpe_Klinikweh

Nie hätte ich gedacht, dass mir das passieren würde: Ich vermisse die Klinik. Nicht, weil es mir so schlecht geht, sondern weil ich während meines Klinikaufenthaltes einfach ich selbst war – und ich mir gefiel, wie ich war.

Nun, zwei Jahre später, bin ich immer noch ich. Aber die momentane Version meines Ichs gefällt mir mässig.
Zum einen ist das ganz normal. Denn während meiner Klinikzeit hatte ich das Privileg, meine Bedürfnisse als Priorität eins zu behandeln. Jetzt im Alltagsleben sind sie nach wie vor wichtig, müssen sich aber manchmal den sozialen Verhaltensregeln, dem Job und so weiter unterordnen. Das Zeitfenster, in dem ich einfach so sein kann, wie ich will, ist im Vergleich viel kleiner und kommt seltener vor.

Achtsamkeit gehört zum gesunden Leben

In der Klinik genoss ich es, alleine durch den Wald zu spazieren, die Tiere zu beobachten und die Ruhe zu geniessen. Wie oft wünsche ich mir nun solche Momente zurück! Seit ich wieder im „normalen“ Alltag bin, habe ich es nicht geschafft, mir diese Ruhemomente zu gönnen.
Und da liegt auch das Problem: Ich lasse die Langsamkeit und benötigte Achtsamkeit nicht zu, „weil ich doch jetzt gesund bin“ und weil ich doch „jetzt bereit für den Alltag bin“!

Ich habe den Drang, mir zu bestätigen, dass ich gesund bin, in dem ich mir und anderen beweise, dass ich fähig bin, den hektischen Alltag zu meistern. Und während ich dies tue, sehne ich mich nach der Ruhe, die ich in der Klinik fand. Was für ein Wirrwarr!

Erst jetzt scheine ich zu begreifen, dass das achtsame Leben nicht nur Teil des Heilungsprozesses ist – sondern fester Bestandteil eines gesunden Lebens sein sollte.
In den letzten Monaten musste ich mir unbedingt beweisen wie viel Stress ich nun wieder aushalten kann – das ging so weit, bis ich kurz davor stand, in das nächste Burn-out zu laufen.
Klar, es ist schön, zu sehen, dass ich widerstandsfähiger geworden bin. Aber mein „Klinikweh“ zeigt mir, dass mein Körper genug davon hat. Gesund sein, bedeutet, möglichst jederzeit achtsam mit sich selbst umgehen zu können und ist kein Zeichen von Schwäche oder gar einer Krankheit. Ganz im Gegenteil. Das beginne ich jetzt zu begreifen.


Herzlichst,
Remo🦊

DER VOLPE_Lust auf eine Kurzgeschichte