Wann hast du das letzte Mal ein Gefühl ohne eine Wertung zugelassen?
Meistens kategorisieren wir sie doch in „gute“ und „schlechte“ Gefühle. Die „guten“, wie die Freude, lassen wir meist ohne Zögern zu und mögen es auch, wenn unser Umfeld uns in dieser Gefühlslage sieht.
Doch die „schlechten“, zum Beispiel die Eifersucht, werden weggesperrt. Meist tun wir im Alltag dann so, als würden wir diese Seite unserer Gefühls-Palette gar nicht kennen. Was für ein Unsinn!
Dass wir unsere Gefühle bewerten, macht insofern keinen Sinn, da wir in einem ersten Schritt nicht ändern können, wie wir uns fühlen. Niemand von uns. Die Bewertung führt sogar dazu, dass eine Veränderung unmöglich ist:
Jedes Gefühl, das weggesperrt wird, wird meist grösser und somit mächtiger und stärker. Es raubt uns Energie und irgendwann, auch Jahre später, sprudelt das alte Gefühl unkontrolliert nach Aussen. Zum Beispiel in Form eines Wutausbruchs.
Doch warum haben wir Mühe damit, zu unseren Gefühlen und Emotionen zu stehen? Ich denke, das hat damit zu tun, dass wir Angst haben, von unseren Mitmenschen kategorisiert zu werden.
Also zum Beispiel: Aus lauter Angst, dass mein Umfeld mitbekommen könnte, dass ich Depressionen habe, setzte ich jahrelang ein künstliches Lachen auf. Und so passiert es heute oft, wenn die Menschen von meinen Depressionen erfahren, dass sie im ersten Moment fast schon schockiert sind: „Was, du hast Depressionen? Du bist doch immer so aufgestellt und lachst so viel!“
Was ist da also passiert? Ich habe diese Gefühls-Bewertung vermeintlich zu meinen „Gunsten“ benutzt und mich nur noch in „positiven“ Gefühlslagen gezeigt. Denn nicht nur unsere Mitmenschen, auch du und ich tendieren dazu, die Menschen anhand ihrer Emotionen zu kategorisieren.
Dabei müssen wir uns endlich bewusst machen: Wir haben zwar Emotionen, wir sind aber keine Emotionen!
Deine momentane Gefühlslage ist also nur ein kleiner Teil von dir – du bist aber nicht dieses Gefühl.
Wenn wir anfangen, das zu begreifen, müssen wir erstens nicht mehr schauspielern und so tun, als hätten wir nur „gute“ Emotionen und zweitens würde dies unserer Psycho-Hygiene unglaublich gut tun: Denn wir wären in der Lage, unseren Gefühls-Fluss am Laufen zu halten. Oder würdest du jahrelang im selben Badewasser baden? Dasselbe gilt auch für unsere Psyche: Wir müssen alte Emotionen loslassen können, damit neue Platz haben. Und Platz verschaffen wir nur, indem wir unseren Emotionen einen ehrlichen Ausdruck verleihen. Und dies wiederum bedingt, dass wir als menschliches Umfeld verstehen und akzeptieren müssen, dass jeder von uns ein Recht auf jedes Gefühl hat.
Niemand darf uns vorschreiben, wie wir uns zu verhalten, oder wie wir uns zu fühlen haben. Und noch wichtiger: Wir dürfen uns selbst nicht vorschreiben, welche Emotion angebracht ist und welche nicht.
Was meinst du dazu?
Herzlichst,
Remo🦊