Mein soziales Umfeld hat sich durch meine Depression drastisch verändert. In meinen Teenager-Jahren genoss ich ein grosses und durchmischtes soziales Umfeld. Da war die eine Clique für den Partyausgang, die andere für den Pausenhof und wieder andere Freunde für tiefgründigere Gespräche.
So schön ein grosser Freundeskreis auch ist, er verlangt Energie ab. Natürlich geben einem Freundschaften Energie zurück – jedoch in einer anderen Form. Dies ist weder gut noch schlecht, es ist lediglich eine Tatsache, deren man sich bewusst sein sollte.
Die Depression frisst Energie und wird trotzdem nicht satt
Durch die Depression ging mit der Zeit meine aktive Energie verloren. In meinen Freundschaften wurde ich passiver. Heisst: Nicht mehr ich organisierte die Treffen, sondern die anderen. Zeitweise konnte ich nicht einmal mehr die bereits geplanten Treffen, Parties oder Ausflüge wahrnehmen. Meine Depression frass viel von meiner Energie. Mit der Kraft, die übrig blieb, versuchte ich mein soziales Umfeld am Leben zu erhalten. Dies ging lange einigermassen gut, bis ich keine Energie mehr für mich selbst übrig hatte.
Freundschaften dürfen sich verändern und Freundschaften darf man beenden
Was dann passierte war ganz natürlich, aber trotzdem schmerzvoll: Da ich mich nicht mehr so oft verabreden konnte/wollte, verschwanden einige Freunde aus meinem Blickfeld und ich aus ihrem. Wieder andere liessen mich wissen, dass sie mit meiner Depression nicht klar kommen und verabschiedeten sich.
Einen besonderen Stellenwert hatten in dieser Zeit meine langjährigen Freunde. Schliesslich durchlebten wir bereits einige Höhen und Tiefen in der Vergangenheit. Meine Depression stellte eine neue grosse Herausforderung dar. Mit ein paar von ihnen schaffte ich es, eine neue Ebene der Freundschaft zu betreten. Der Umgang untereinander wurde noch ehrlicher und somit auch verständnisvoller.
Leider war dieser Schritt nicht mit allen dieser langjährigen Freundschaften möglich. Unsere Lebenseinstellung und unsere Prioritäten wurden zu unterschiedlich. Auch wir mussten Abschied nehmen.
Die Depression ist ein Entwicklungs-Booster
Dass Freundschaften beginnen und enden, gehört zu einem gesunden Leben. Die Depression „beschleunigt“ diesen Wandel des sozialen Umfelds jedoch. Denn eine Depression braucht meist einige Jahre, bis sie mächtig genug ist, um das eigene Leben zu lähmen. Wenn man sich dann dazu entscheidet, gegen die Depression anzukämpfen, wird das bisherige Leben (das schlussendlich zur Depression führte), ziemlich umgekrempelt. Verständlich also, dass dann der „gesündere“ Lebensstil bewirkt, dass man weniger Gemeinsamkeiten mit dem bisherigen sozialen Umfeld hat.
Das bedeutet aber nicht, dass der Kampf gegen die Depression den Verlust seiner Freunde nachzieht. Ich habe festgestellt, dass ich dadurch meine Freundschaften noch mehr wertschätze und dass die Beziehung zu meinen Freunden intensiver wurde. Die Art der Beziehung verändert sich also drastisch. Und das kommt nicht bei allen gleich gut an.
So ist mein soziales Umfeld über die letzten Jahre tatsächlich numerisch geschrumpft, emotional jedoch um ein vielfaches gewachsen.
Jede Beziehung bleibt ein Teil von uns
Selbst Freundschaften, die heute nicht mehr existieren, bleiben ein Teil von mir. Daher ist es mir wichtig, treue, ehrliche und tiefe Verbundenheiten mit meinem nächsten Umfeld zu pflegen.
Schliesslich sind Freunde nichts weniger als liebe Weggefährten, die unseren Lebensweg bereichern. Und alle von uns haben das Recht, bei der nächsten Gabelung einen anderen Weg einzuschlagen.
Deshalb danke ich euch Freunden für die wundervolle Zeit mit euch in der Vergangenheit, Gegenwart und nahen Zukunft. 👫👬🕺🏻👭
Herzlichst,
Remo🦊