Antidepressiva absetzen

Der Volpe_Antidepressiva absetzen

In einem früheren Artikel habe ich euch erzählt, warum ich anfing, Antidepressiva zu nehmen. Heute will ich mit euch über das Absetzen von Psychopharmaka reden.

Ein Antidepressivum setzt man nicht ab, man lässt es ausschleichen», erklärte mir meine Therapeutin. Denn nur wenn die Medikamenten-Menge Schritt für Schritt reduziert wird, verlaufe der Übergang möglichst reibungslos.
So wie ich es verstanden habe, sind sich die Fachleute nicht einig, was, bzw. warum gewisse Nebenwirkungen bei einem abrupten Absetzten eines Antidepressivums eintreten.

Einige Therapeuten haben mir erklärt, dass durch die Medikamente der Körper selbst weniger arbeiten muss, um die Psyche stabil zu halten. Bei einem abrupten Wechsel wäre der Körper also überfordert.
Andere hingegen waren der Ansicht, dass es sich um einen Placebo-Effekt handle: Wenn ich weiss, dass mich kein Medikament mehr unterstützt, fühle ich mich schwächer.

Wie auch immer – ich weiss es auch nicht besser. Und im Moment interessiert es mich auch nicht, was genau die Gründen für die Risiken beim Absetzen sind. Mir war einfach von Anfang an klar, dass ich möglichst keine dieser Risiken eingehen will.

Der langsame Abschied

Bei meinem Antidepressivum war es so, dass ich jeden Morgen eine Tablette einnehmen musste. Ich war und bin noch immer sehr froh für die Erfindung dieser Medikamente! Dank ihnen konnte ich mich von meinen negativen Gedanken und Mustern erholen.
Doch nach ein paar Monaten wollte ich wissen, wer ich nun ohne die Medikamente bin. Würde ich mich anders fühlen?

Zusammen mit meiner Therapeutin besprach ich meinen Wunsch. Sie erstellte mir einen taggenauen Ausschleich-Plan, mit dem ich innert zwei Monaten das Medikament langsam ausschleichen konnte.

Der Volpe_Antidepressiva

Es vergingen einige Wochen, bevor ich mit dem Ausschleichen begann. Denn wichtige Voraussetzungen für das Ausschleichen eines Antidepressivum sind, dass der eigene psychische Zustand seit mehreren Wochen bis Monaten stabil geblieben ist und dass in der nahen Zukunft keine grossen (Lebens-)Veränderungen zu erwarten sind. Denn nur so kann ich als Patient selbst überprüfen, ob mir das Loskommen von dem Medikament auch wirklich gut bekommt.
Denn schlussendlich hatte ich keinen Druck und liess mir Zeit, mich von meinem Antidepressivum zu verabschieden.

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Hör deinem Körper zu: Er weiss, was zu tun ist

Ein paar Wochen vergingen und eines Morgens vergass ich, die Tablette einzunehmen. Das war nicht weiter schlimm, da die Wirkung weiter anhielt. Doch für mich war es ein Zeichen meines Körpers. Er sagte mir: «Remo, ich denke, ich komme auch ohne Medikamente klar.»

Nachdem ich auch nach zwei Wochen die Medikamente trotz Erinnerungs-Wecker hin und wieder vergass, kramte ich den Ausschleich-Plan hervor und begann, die Menge des Medikaments zu reduzieren.

Hallo neue Haut!

Es war ein komisches Gefühl. Als ob mein schützender Kokon langsam abbröckelte und meine neue, noch empfindliche Haut zum Vorschein käme.

Tatsächlich war ich reizbarer und ich fiel wieder in alte Verhaltensmuster. Doch der grosse Unterschied war die Dauer meiner Tiefs. Ich konnte mich sehr rasch wieder auf ein angenehmes Gefühls-Niveau manövrieren (hier einige Tipps dazu: Raus aus dem Loch!).
Dieses «mich aus dem Loch holen» war und ist verdammt anstrengend. Diese Strategie befolgte ich bereits mit den Medikamenten. Aber ich glaube, mit der reduzierten Menge des Antidepressivums, wurde das Training einfach noch härter.

Was mich in dieser Zeit – und auch noch jetzt – motivierte, weiter zu machen, ist dieses neue und starke Lebensgefühl. Denn ich habe nicht nur eine neue Haut erhalten, sondern auch eine neue Lebens-Motivation.
Dann, es war Mitte Januar 2019, kam der erste Tag ohne Medikamente. Irgendwie erwartete ich ein inneres Feuerwerk oder sonst irgendwas. Aber eigentlich war ich einfach nur froh, den Erinnerungs-Wecker auf meinem Handy ausschalten zu können.

Was richtig ist und was nicht

Einige Menschen hatten mir von Beginn an abgeraten, überhaupt ein Antidepressivum zu nehmen. Andere rieten mir dann davon ab, «so früh» das Medikament wieder auszuschleichen.

Ich denke, das einzig Wichtige im Umgang mit den Psychopharmaka ist, dass man sich vor, während und auch nach deren Einnahme stets in einer Therapie befindet. Nicht nur wegen den physischen Kontrollen, die man ab und an machen muss – vielmehr, weil das Medikament die Depression nicht heilt.

Es nützt mir nichts, wenn ich einfach nur ein Medikament nehme und ich mich dadurch ein wenig besser fühle. Die Antidepressiva sind dazu gedacht, damit wir wieder atmen können, eine kleine Verschnaufpause von der Depression bekommen. Doch auch mit den Medikamenten müssen wir weiter kämpfen. So lange, bis wir wieder Meister unseres Lebens sind und nicht die Depression das Sagen hat.

Hört auf euren Körper. Er weiss, was gut für euch ist und was nicht. Informiert euch über Antidepressiva und schaut, was das mit euch macht.

Denn es gibt nur eine falsche Sache: Nichts zu tun.
In diesem Sinne schicke ich euch viel Kraft, Geduld und Vertrauen an euch alle. 🤗


Und wenn ihr eure Geschichte mit uns teilen wollt: Ich freue mich über eure Kommentare!

Herzlichst
Remo🦊

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